Die dauerhafte Besiedelung des heutigen - damals noch unwirtlichen - Stadtgebietes durch die Franken aus der Kölner Bucht und Sachsen aus westfälischem Gebiet begann im 7./8. Jh. n. Chr. Bis in das 20. Jahrhundert hinein war das Aufeinandertreffen der beiden Stämme entlang der Agger noch an der unterschiedlichen Dialektfärbung einzelner Ortschaften (moselfränkisch - sächsisch) ablesbar. Der heutige Ortskern Gummersbachs, der 1109 erstmalig urkundlich erwähnt wurde, erlangte eine erste überörtliche Bedeutung, als im Zuge der karolingischen Christianisierung das Kölner Kloster St. Severin im Auftrag des Erzbischofs Gunter eine Kirche erbaute und die erste Pfarrei im Gebiet zwischen Leppe, Dörspe und Agger einrichtete. Kirchliche und weltliche Verwaltung waren im Mittelalter eng miteinander verwoben.
Schon während der Phase der Rodungen im Zuge des Landesausbaues (9. – 13. Jahrhundert) dominierte die Viehwirtschaft gegenüber dem Ackerbau. Klimatische Verhältnisse und Bodenbeschaffenheit ließen nur eine geringe Ertragskraft der Landwirtschaft zu, so dass schon bald die Ausübung von bäuerlichen Nebengewerben (Erzbergbau seit dem 12. Jh., verschiedene Handwerke, Vogelfang usw.) zum Überleben notwendig war. Trotz der schlechten Wege existierten bereits seit dem Mittelalter regelmäßige Handelsbeziehungen zu anderen Regionen. Wichtigster überörtlicher Markt war für Jahrhunderte die Stadt Köln, die etwa eine Tagesreise entfernt lag.
Nach dem Zerfall der ersten übergreifenden politischen Verwaltungsorganisation des Gebietes, des Auelgaues, kam der Gummersbacher Raum nach einer langen Phase territorialer Auseinandersetzungen 1273/87 für Jahrhunderte zur Grafschaft Mark und bildete einen wesentlichen Bestandteil des neuen Amtes Neustadt. Der hohe Anteil der Freien an der bäuerlichen Bevölkerung, aber auch die relativ unbedeutende Rolle des landansässigen Adels u.a.m. ermöglichten eine weitgehend unabhängige bäuerliche Selbstverwaltung des Kirchspiels Gummersbach; als dessen Unterorganisationen fungierten die Bauernschaften Gummersbach, Bernberg, Rospe, Strombach, Gelpe und Calsbach. Gemeinsame Interessen besonders in der Abwehr neuer Abgaben vertraten die Bauernschaften und ihre gewählten Vertreter nachdrücklich gegenüber der weltlichen und kirchlichen Obrigkeit, die dementsprechend über „den harten Sinn des Volkes“ klagte.

 

Die Ersterwähnung Gummersbachs im Jahre 1109 in einer Urkunde des Kölner Erzbischofs Friedrich I. für das Kölner St. Severinstift: "...ecclesia, que est in villa Gummeresbracht..." (Kirche, welche in dem Dorfe Gummeresbracht ist); die Schreibkürzel wurden aufgelöst.

Die Gummersbacher Kirche bis zu ihrer Restaurierung und Umgestaltung 1899/1900


Weil eine Kirche nicht nur der geistliche Mittelpunkt einer Gemeinde, sondern - in früheren Jahrhunderten mehr noch als heutzutage - auch gesellschaftliches, geistiges, emotionales, ja selbst administratives Zentrum für die Gemeindemitglieder ist, künden Größe, Architektur und Ausstattung des Kirchenbaues von historischen Entwicklungen, von früheren wirtschaftlichen Verhältnissen, von gewandelten Glaubensvorstellungen, von kulturellen Einflüssen benachbarter Regionen. Dies gilt für alle drei historischen Kirchen unseres Stadtgebiets: die „Bunte Kerke“ in Lieberhausen, für die Hülsenbuscher Kirche und natürlich für die evangelische Kirche im Gummersbacher Zentrum, die einstige Mutterkirche der benachbarten Kirchsprengel nördlich der Agger. Die Baugeschichte gerade dieser Kirche ist seit der archäologischen Untersuchung 1963 und der Auswertung durch G. Walzik 1981 auch am besten dokumentiert. In der Abfolge der festgestellten sechs Bauphasen enthüllt sich schlaglichtartig Gummersbacher Geschichte, die in anderen Quellen kaum greifbar wird: Um 850 Errichtung eines ersten Gotteshauses; es ist ein schlichter einschiffiger Saalbau von allerdings erstaunlicher Größe - besonders wenn man die noch recht geringe Siedlungsdichte bedenkt -, aber durch den noch großen Einzugsbereich dieser ersten Pfarrei erklärbar. Rund 200 Jahre später sind in den Außenbereichen dieser ersten Pfarrei, also in Ründeroth, Gimborn, Müllenbach, Lieberhausen und Wiedenest, eigene Kapellen entstanden, und die seinerzeit recht schnell errichtete Mutterkirche in Gummersbach war wohl baufällig geworden; auf jeden Fall wird sie kleiner, aber auch handwerklich solider und architektonisch anspruchsvoller (z.B. mit einer formschönen Apsis) neu errichtet, möglicherweise auch bereits mit dem heutigen Turm; dieser dient gleichermaßen der Repräsentation und der Zuflucht in Kriegszeiten, weshalb er auch stets von der örtlichen Gemeinde zu bezahlen war. Dieser Neubau im romanischen Stil wird nun in den folgenden zwei Jahrhunderten, dem Hochmittelalter, beträchtlich ausgebaut und erweitert: Zeichen für die wachsende Bevölkerung, einen gewissen Wohlstand (Bergbau, Hammerwerke) und für die nach wie vor zentrale Stellung Gummersbachs in der Region. Nach 200 Jahren ohne größere Bautätigkeit erhält die Kirche Mitte des 15.Jh. mehr oder weniger ihre heutige Gestalt: das Querschiff wird größer und mächtiger im gotischen neu gebaut; der Grund lag vermutlich in der zu dieser Zeit besonders starken Volksfrömmigkeit und dem damaligen Bedürfnis, sich durch Stiftung von Heiligenaltären und Wandmalereien - aber auch Kauf von Ablassbriefen etc.- beim schon bald erwarteten Jüngsten Gericht ein gnädiges Urteil zu erwirken. Dafür wurde mehr Platz und vor allem Wandfläche benötigt. Mit dem hohen gotischen Querschiff und seinem großen Chor schuf man ihn. Um 1520 wurde - wahrscheinlich aus ähnlichen Gründen - auch noch das stadtwärtige Seitenschiff gotisch erneuert. Dann kam die Reformation und mit ihr ein vorläufige Ende der Bautätigkeit - Erst nahezu 400 Jahre später, an der Wende zum 20.Jh., erfuhr die Gummersbacher Kirche eine erneute Umgestaltung: Durch Emporen wurde für die stark angewachsene Bevölkerung zusätzlicher Platz geschaffen, und durch Zubauten wie Türme, stadtseitiges Hauptportal, Sonnenuhr, Dachreiter etc. wurde der „mittelalterliche“ Eindruck noch verstärkt. Diese Zutaten wurden dann bei der letzten Renovierung (1964-67) zumeist wieder beseitigt.

 

Q: Fragen beim Vestengericht

Einmal im Vierteljahr versammelten sich Gerichtsschöffen, Bauernschaftsvorsteher und die Mitglieder der Bauernschaften, die allerdings nie vollständig erschienen, zur Rechtsprechung, der sogenannten „Vollen Veste“. Hierbei wurden immer folgende 37 Fragen nach vorgefallenen Gesetzes- und Regelverstößen gestellt, die seit dem 16. Jahrhundert inhaltlich nicht verändert worden waren und die Franz von Steinen um 1800 aufgezeichnet hat. Vorgebrachte Klagen wurden protokolliert und gegebenenfalls dem Vogt als Richter zur abschließenden Urteilsfindung vorgelegt. Den Fragen läßt sich indirekt das von den Untertanen erwartete und geforderte Sozialverhalten entnehmen:

Ob jemand Gottes Namen gelästert, geflucht und leichtfertig geschworen habe?
Ob unter dem Gottesdienst oder über gebührliche Zeit einige Wirte gezapft haben?
Ob einer den anderen geschmäht oder an seiner Ehre verletzt habe?
Ob einige Schlägerei vorgefallen?
Ob jemand seinem Nachbarn mit Unrecht oder Gewalt in das Seinige gegriffen?
Ob Ehebruch, Hurerei oder uneheliche Beiwohnung verspürt werde?
Ob Dieberei vorgegangen?
Ob jemand seinem Gnädigsten Herrn in seine Hoheit [Rechte] gegriffen?
Ob jemand den Schatz [Steuerveranlagung] zu verdunkeln sich unterstehe?
Ob jemand sich rechtmäßiger Exekution [Vollstreckung von Anordnungen, Strafen] widersetze?
Ob Wege und Stege verenget, verdränget oder nicht in esse [gutem Zustand] gehalten werden?
Ob wilde Gewässer ungebührlich gequellet oder aus ihrem Fluß gedrungen werden?
Ob Läcke oder Pfähle [Grenzmarkierungen] ausgeworfen oder versetzt sein?
Ob heimliche Kontrakte oder Verträge gegen Recht und Landesordnung aufgerichtet seien?
Ob Kinder vorhanden, so den Eltern ungehorsam sind?
Ob jemand seine Eltern gelästert oder beleidigt habe?
Ob jemand das Seine unnütz verschwende oder stets dem Fressen und Saufen ergeben sei?
Oder ob sonsten andere offenbar strafbare Laster und Übeltaten vorgehen?
Ob Sonn- und Feiertage entheiligt und Karten gespielt werde?
Ob fremde unbekannte Müßiggänger erfindlich?
Ob auch Schand- und Schmähgedichte über jemand gedichtet oder gemacht worden?
Ob Unbeerbte gejagt und gefischt?
Ob auch mit ungebührendem Maß und Gewicht gehandelt worden?
Ob bei Nacht mit Fackeln gefischt worden?
Ob auch Nachtreihereien, Plückereien, Dreschereien und Schwingereien [alles Feiern vor allem Jugendlicher mit Tanz usw.] geschehen? 
Ob auch gefährlicherweise mit Umtragung unbedeckten Feuers und Licht verfahren werde?
Ob auch jemand in freigemachte Berge und junge Haue gehütet?
Ob jemand bei Tag oder Nacht auf freier Straße angegriffen oder beleidigt worden?
Ob in jeder Nachbarschaft Holzschützen angeordnet seien?
Ob auch jemand Schweine bei verbotener Zeit laufen lassen?
Ob Hirten Beile oder Hepen mit in die Berge genommen?
Ob jemand vor Sonnenaufgang und nach deren Niedergang Holz oder Streu getragen?
Ob auch Hecken und Bäume geschändet worden?
Ob auf fremden Grunde gekrautet und gegrast worden?
Ob neue Fuhren in Feldern aufgesetzt worden?

Aus: Von Steinen, Johann Friedrich Frantz: Beschreibung der Kirchspiele Gummersbach, Lieberhausen, Gimborn und Müllenbach sowie des Klosters Marienheyde (Gummersbach um 1800), hg. v. Förderverein Schloß Homburg e.V. (Gummersbach) (1983) S. 100f. Die Schreibweise wurde behutsam modernisiert; die in den Klammern aufgeführten Begriffe sind hinzugefügt und dienen der Erläuterung.

7./8. Jh.Beginn der dauerhaften Besiedlung des Gummersbacher Raumes
800Krönung Karl des Großen zum Kaiser
ca. 850Bau der ersten Kirche
1109Erste urkundliche Erwähnung (Gummeresbracht)
1273/1287Das gesamte Gebiet wird durch Verpfändung Teil der Grafschaft Mark
1301Gründung der Stadt Neustadt
1348Erste große Pestepidemie
1432Das Dorf Gummersbach erhält das Recht auf drei Jahrmärkte im Jahr

 

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